Durch die Vielzahl militärischer und ziviler Tarnmuster kommt natürlich immer die Frage auf: Was tarnt eigentlich und wie funktioniert eine Tarnung?
Die Grundliegende Idee der Tarnung ist es, ein Lebewesen oder einen Gegenstand vor Entdeckung durch andere zu schützen oder ihnen ein Aussehen zu geben, das einen potentiellen Gegner bzw. Fressfeind abschreckt. Zu Beginn lohnt es sich, einen Blick in das Tierreich werfen. Denn schon lange bevor der Mensch auf die Idee gekommen ist, sich zu tarnen, haben Tiere dies getan:
„Moment!“ wird der eine oder andere jetzt vielleicht denken, „die meisten Tarnmuster sehe ich ein, aber was hat das Zebra da verloren?! Das Tarnmuster funzt doch nicht!“ Nun, hier mag das nächste Bild vielleicht etwas Hilfe verschaffen:
Marco Oetterli / pixelio.de
Die Tarnung des Zebras ist auf seine Lebensweise eingestellt: Zebras leben in Herden, die „Tarnung“ dient als Schutz vor Fressfeinden. Aber wie arbeitet sie, wenn sie nichts mit dem Gelände zu tun hat? Wer sich die Herde auf dem oberen Bild anschaut merkt, dass das einzelne Tier in der Masse untergeht. Ein Raubtier muss sich aber ein einzelnes Beutetier aussuchen. Dies fällt durch das Muster schwer und wie bei „Top Gun“ auf dem Radar werden aus einem Ziel plötzlich zwei, drei oder mehr. Der Jäger ist gezwungen, in Sekundenbruchteilen zu entscheiden. Oft ist dieser Vorgang nicht schnell genug und bietet der Beute ausreichend Zeit zur Flucht. Auch wenn das Bild relativ scharf ist muss man sich flirrende Luft und eine größere Entfernung dazu denken, die aus den einzelnen Tieren eine Masse machen.
Diese Art der Tarnung ist für uns jedoch nur bedingt von Nutzen, auch wenn sie ebenso dazu verwendet werden kann, die Anzahl von Personen in einer Gruppe zu verschleiern. So erschwerte z.B. die auffällige rote Farbe der Uniformen der britischen Infanterie im 18. und 19. Jahrhundert dem Gegner die Einschätzung der britischen Truppenstärke, was für die Briten einen taktischen Vorteil bedeutete.
Die meisten Tarnmuster in der Natur jedoch sind der natürlichen Umgebung des Lebewesens angepasst und versuchen, es in seinem Lebensraum möglichst schwer erkennbar zu machen. Bis ins Extreme ist diese Anpassung an die Umwelt bei den sogenannten Mimesen ausgeprägt. Mimesen passen sich in ihrer gesamten Physiologie, also nicht nur in Farbe und Muster, sondern in ihrem gesamten Körperbau ihrer Umgebung an. Dadurch sind sie selbst aus kürzester Distanz kaum von ihrer Umgebung zu Unterscheiden.
Das militärische Gegenstück zur Mimese in der Natur ist wohl der Ghillie-Suit und entsprechende Überwürfe für Waffen und Ausrüstung. Sie dienen dazu, die Konturen zu Verwischen und so die Umrisse nicht mehr klar zu definieren.
Diese zwei Extrem-Beispiele zeigen, wovon die Tarnwirkung maßgeblich abhängt: die optische Wahrnehmung des Gegners verwirren und sich möglichst gut der Umgebung anpassen.
Kommen wir nach diesem Ausflug nun zurück zur Tarnung im Airsoft. Wenn ich einen Gegner suche, suchen Auge und Gehirn üblicherweise nach festen Umrissen eines Menschen oder seiner Ausrüstung. Und genau diese Umrisse können durch bestimmte Kontraste gefälscht werden.
Der Großteil der Tarnmuster in der Natur verfügt über starke Kontraste und feste Formen. Die Natur als solche kennt nur wenige weiche Übergänge. Licht und Schatten zeichnen auffällige Muster, Pflanzen haben normalerweise unterschiedliche Farben usw. Wer sich den Boden eines nicht ganz dichten Wald bei Sonnenschein anschaut wird schnell merken wovon ich hier schreibe.
Ein Beispiel, wie Konturen durch starke Kontraste verwischt werden, findet sich in seeeeehr großem Maßstab auf dem Schlachtschiff Bismarck:
Um das Schiff kürzer erscheinen zu lassen wurden Bug und Heck dunkelgrau lackiert und die Übergänge mit künstlichen Bug- und Heckwellen versehen. der Effekt ist gerade beim Bug auf dem Bild recht gut zu erkennen. Schaut man nicht genau hin, entgehen einem die ersten Meter des Schiffes.
In kleinerem Maßstab ist hier ein recht gutes Beispiel von einem unserer Trainings zu sehen. Wer sich den Spaß erlaubt mal „durch den Bildschirm hindurch zu schauen“, also sich nicht auf das Bild zu konzentrieren damit es etwas unscharf wird, sieht die Unterschiede zwischen dem Woodland- (in der linken Bildhälfte im linken Bild) und dem Flecktarn-Muster (rechte Bildhälfte im linken Bild). Während die Silhouette des Spielers in Flecktarn sich deutlich vor dem Hintergrund abhebt, wird jene in Woodland durch die stärkeren Kontraste zerrissen. Ähnlich verhält es sich auf dem unteren Bild.
Ein weitaus extremeres Beispiel stellt die nachfolgende Aufnahme dar. Da es reichlich kalt war habe ich unter der taktischen Weste eine normale schwarze Weste angezogen, die Wirkung hiervon ist mir erst auf dem Bild wirklich aufgefallen. Obwohl eigentlich der komplette Oberkörper zu sehen ist, wird er durch den massiven Kontrast optisch dermaßen zerrissen, dass es schwer fällt ihn zu erkennen.
Eine Kombination aus angepassten Farben und starken Kontrasten ist zum Beispiel auf diesem Bild zu erkennen. Airsoft-Gun und Gesicht sind gut zu erkennen, der Rest verschwindet optisch im Unterholz.
Ein weiterer Aspekt von Tarnung wird durch die folgende, vermeintlich unscheinbare, Aufnahme verdeutlicht.
Auge und Gehirn selektieren bereits bevor sie etwas entdeckt haben, ob es überhaupt wahrscheinlich ist, dass sich an bestimmten Stellen etwas verbirgt. Der Bereich in dem die Aufnahme gemacht wurde, wird hierbei oft automatisch ausgeblendet. Dass auf einer offenen Fläche ein Gegner lauert, wird erst einmal als unwahrscheinlich erachtet und der lediglich mit einem Tarnschal überworfene Kopf des Spielers kurzerhand zu einem moosbehafteten Baumstamm erklärt.
Fazit
Ob eine Tarnung funktioniert oder nicht hängt nur teilweise von den verwendeten Farben ab. Vielmehr spielt die Leistungsfähigkeit von Augen und Gehirn eine Rolle. Selbst eine Sandtarnung in einem Nadelwald wird unter Umständen als unwichtig herausgefiltert, wenn die Konturen so verzerrt werden, dass sie nicht mehr als die einer Waffe oder einer Person erkennbar sind. Der Mensch sucht etwas, dass er erkennt und sieht was er sehen möchte. Und wer wäre auch so blöd sich in Wüstentarn in einem Nadelwald zu verstecken?
Wer sich dieses Wissen zu Eigen macht, hat einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur guten Tarnung getan.